Vorwort
Wespennest ist über mehrere Tage voller schlechter Laune, im Frühsommer 2012 entstanden. Das Ergebnis ist ein mehr oder weniger zusammenhängender Text mit integriertem Blitzableiter. Mein Ziel hinter Wespennest habe ich jedenfalls nicht verfehlt. Am Ende es Textes war die schlechte Laune verflogen. Der Text beschränkt sich hauptsächlich auf einen recht ausgewogenen Kampf zwischen groß und klein.
Wespennest
Die Felsbrocken sämtlicher Größen formten einen fast perfekt kreisförmigen Ring. Von feinem Staub bis hin zu Kilometer großen Brocken war alles vertreten in dieser Scheibe um die giftig grüne Kugel. Ungebremste Stürme hatten die dichten Wolken an der sichtbaren Oberfläche zu glatten Strähnen gekämmt, immer dem Äquator folgend. Umgeben war dieses Gaskugel-Ring-System von einem feinen Nebel aus Wasserstaub, der den Blick auf die Sterne verweigerte.
Friedlich wie eh und je drehte der Gasriese sich in seiner Ekliptik um einen einsamen, roten Riesen. Man musste schon sehr genau hinsehen um fest zu stellen, dass etwas nicht stimmte. Einige der stumpfen, grauen Brocken hatten tief schwarze Flecken bekommen. Wie Pilze klebten sie an deren Oberflächen, hüllten sich in Schatten und Schweigen. Bemüht, sich durch Nichts und Niemanden zu verraten, verharrten sie absolut regungslos und dunkel. Kein Lichtlein brannte, keine Heizung wärmte den Hohlraum im Innern und seinen Bewohner. Nicht ein einzelner Generator versorgte diese Geschwüre aus veredelten Erzen mit Energie.
Dafür starrten unzählige Augenpaare auf die Wand aus weißem Nebel, suchten sie permanent nach einem verräterischen Schatten ab. Er ließ lange auf sich warten, dennoch bestand kein Zweifel daran, dass er kommen würde. Es konnte nicht mehr lange dauern, er war längst überfällig, aber wenn er kam, waren sie bereit. Sie würden hier sein und auf ihn warten, tun wozu sie hergekommen waren und dann würden sie zu den Steinen zurück kehren und warten. Darauf, dass ihnen eine neue Aufgabe zugeteilt werden würde, wie lange das auch immer dauern mochte.
Und dann kam der ersehnte Schatten. Ganz langsam schob er sich in den feinen Dunst, gewaltig wie eine aus der Bahn geratene Welt. Milliarden und aber-milliarden Tonnen Stahl durchdrangen die Wolke, welche den Gasriesen vor Blicken aus dem Weltall schützten. Nun wurde deutlich, was die Verspätung verursacht hatte: Der Gigant kam nicht alleine. Drei im groben baugleiche Strukturen schoben sich dicht hinter ihm durch die Eiskristalle. Martialische Geschütze ragten aus jedem der Rümpfe, angemessen, um ein ganzes Sternensystem zu Staub zu zermahlen. Das war in dem Auftrag nicht vorgesehen.
Für den Piloten spielte das keine Rolle. Er war hier um seinen Auftrag zu erledigen, die Begleiterscheinungen waren für ihn nicht mehr als das. Unwichtige Begleiterscheinungen, ohne Einfluss auf den Job.
Ein hauchfeiner Impuls zündete den Generator und augenblicklich strotzte der schwarze Fleck nur so vor Energie. Er stieß sich von seinem Felsbrocken ab und trieb dem Koloss entgegen, so lange wie möglich die Deckung des Rings nutzend. Hier und da auf dem Ring, folgten vereinzelte Punkte seinem Beispiel. Sie stießen sich ab und rasten wie außer Kontrolle geratene Meteore auf die Eindringlinge zu. Von deren Standpunkt musste es wirken wie der Schatten einer Wolke aus unruhiger See. Nichts deutete darauf hin, dass sie das Phänomen überhaupt wahr nahmen.
Der Pilot empfand diese Ignoranz beinahe als Beleidigung. Wäre er selbst aber auf einem solchen Schiff, welches allein tausende Kilometer im Durchmesser maß, und würde nichts Böses ahnen, er würde sich auch nicht um Staubkörner in einem Nebel kümmern. Wenigstens wenn er nicht besser wusste, um was es sich handelte.
Aber er wusste es besser, und er wusste was sein Auftrag war. Und außerdem war er jetzt in Reichweite. Ein schier endloser Horizont aus dunklem Metall erstreckte sich unter dem winzigen Schiffchen. Ein Handgriff des Piloten und die Waffen wurden aktiviert. Ein beeindruckender Satz an Strahlenwaffen sowie das Gewicht des Schiffs selber in Raketen mit Antimateriesprengköpfen. Eine fliegende Massenvernichtungswaffe.
Unruhige Augen flackerten über den Rumpf unter ihm. Begierig suchte er nach einem geeigneten Ziel für seinen Angriff. Er fand ein geeignetes in einer der kleineren Geschütze und drehte darauf zu. Von weitem noch fast lächerlich klein, wuchs sein Ziel schnell an. Es war weit größer als sein ganzes Schiff und er würde nicht einmal einen Streifschuss aus dieser Waffe überstehen können.
Ein dünner Gasstreifen trug die erste Ladung an ihr Ziel. Mit einer lautlosen Explosion reinen Lichts detonierte die erste Rakete, dass die gewaltige Kanone aus der Verankerung gerissen wurde und träge an manns-dicken Stahltrossen hin und her schleuderte. Rötlich eingefärbt aber nicht weniger hell, schickte er eine Salve seiner Strahler in die entstandene Schwachstelle. Eine Explosion riss ein beeindruckendes Loch in den Rumpf und schickte das Geschütz in den Weltraum hinaus.
Der Pilot sah sich um. Unzählige der schwarzen Punkte folgten dem Beispiel seines ersten Angriffs. Ein stolzes Lächeln stahl sich um seinen Mund, angesichts dieser Angriffswelle. Die Flut aus kaum wahrnehmbaren Schatten stürzte auf die drei Kolosse ein, als wären sie nichts weiter als Schatten auf der Wolke. Wie Nadelstiche flackerten unzählbar viele helle Explosionen über die schwarzen Rümpfe. Ab geplatzte Trümmerteile verschwanden in der Schwärze des Raums oder stürzten dem Gasriesen entgegen.
Kaum hatte er aber etwas Distanz zu dem Ziel aufgebaut bemerkte er, dass ihr Angriff zwar tausende der kleinen Geschütze zerstört hatte und auch die äußeren Hüllen angekratzt hatte, aus der Entfernung jedoch nicht einmal kleine Kratzer zu sehen waren.
Dies würde ein sehr langer Tag werden, dachte er bei sich. Sie würden jedes der Geschütze einzeln aus den Schiffen brennen müssen. Und wäre diese Aufgabe allein nicht schon lästig genug, erwachten nach und nach die feindlichen Geschützstellungen zum Leben. Massive, orange und rot leuchtende Ladungen wurden blindlings ins Nichts geschossen. Nach Minuten, die sich wie Sekunden anfühlten, war der Planet und seine Wolke skurril beleuchtet vom Geschützfeuer der Giganten.
So Eindrucksvoll es aussehen mochte, die gewaltigen Kanonen waren gebaut worden um Planeten, Monde, große Asteroiden und bestenfalls mal ein vergleichbar riesiges Schiff an zu greifen. Gegen die nur wenige Meter messenden Punkte waren sie ineffektiv. Auch wenn dann und wann mal ein Glückstreffer zustande kam, die meisten Schüsse schossen durch den Schwarm hindurch ohne Schaden an zu richten.
Der Pilot hatte seine Schleife vollendet und flog wieder auf seinen alten Krater zu. Stecknadelkopf groß zeichnete er sich auf einer schier endlosen leicht gebogenen Ebene ab. Er war entschlossen den leichten Krater in ein Loch zu verwandeln. Je tiefer, um so besser. Eine feingliedrige Kette zog sich zwischen ihm und dem Krater. Dieser hatte zu Glühen begonnen und Tropfen geschmolzenen Metalls spritzten hervor. Sein Geschützfeuer brannte sich langsam aber stetig in den dicken Panzer des Feindes.
Eine weiße Stichflamme schoss ihm entgegen, ohne dass das Schiff auch nur leicht gebebt hätte. Trotzdem markierte es einen Erfolg. Er hatte es geschafft den Panzer zu durchbrechen und den bewohnten Innenraum zu treffen. Der austretenden Sauerstoff hatte sich am glühenden Metall entzündet und so die Stichflamme gebildet. Trotzdem war es nur ein kleiner Erfolg. Die getroffene Sektion konnte nicht besonders groß sein, dafür hatte die Flamme zu kurz geleuchtet. Aber es war eine Schwachstelle und hier konnte er angreifen.
Als er eine neue Schleife flog, wurde er von den umliegenden Geschützen verstärkt unter Beschuss genommen. Keiner der Schüsse konnte ihm gefährlich werden, trotzdem drängte es ihn zu handeln. Mittlerweile waren sämtliche Kanonen aller drei Kolosse bemannt und in Betrieb. Ihre Schüsse leuchteten hell wie eine junge Sonne. Allein die reine Masse der Projektile sorgte dafür, dass tatsächlich der ein oder andere Jäger abgeschossen wurde. Der Pilot schätzte, dass sie schon mindestens hundert Jäger verloren hatten. Eine lächerlich winzige Menge, angesichts ihrer Zahl. Aber noch war der Kampf nicht gewonnen. Noch lange nicht.
Ein sauberer, weißer Schweif trug seine nächste Rakete genau in das noch glühende Loch. Unter der ersten Panzerung würde garantiert eine weitere liegen, aber es wäre schon viel wert, den Zwischenraum zu verwüsten. Die Explosion des Antimaterie-Sprengkopf presste sich durch das Eintrittsloch und riss dabei Tonnen schwere Bruchstücke aus der Meter dicken Panzerung. Als hätte man einen Stein in einen ruhigen See geworfen, liefen Wellen durch den Panzer. Die unmittelbar benachbarten Kanonen verstummten, entferntere gerieten ins Stottern, feuerten unregelmäßiger wenn überhaupt.
Die Schockwelle begann ab zu flauen, nur Augenblicke nach ihrer Entstehung. Sie hatte es nicht weit geschafft aber noch konnte sie die Kanonen des Koloss gründlich durch schütteln. In dem Moment, als eine der weniger winzigen Kanonen auf dem Kamm der Welle stand, wurde ihre Basis von einer weiteren Rakete getroffen. Der Pilot hatte die Explosion der ersten Rakete gar nicht mehr abgewartet sondern sich gleich ein neues Ziel gesucht. Der Einschlag, im Augenblick ihrer stärksten Beanspruchung war zu viel für die Kanone. Als Die Panzerung sich wieder glatt zog und die Welle verklungen war, blieb sie einsam trudelnd im Weltall zurück. Friedlich beugte sie sich ihrem Schicksal und schloss sich der stetig wachsenden Wolke aus Trümmerteilen an.
Ähnlich wie an dieser kleinen Stelle lief es auf allen drei Kolossen. Zig tausende dieser kleinen Jäger fielen über sie her und brannten noch die größten Kanonen aus ihren Rümpfen, ohne dass sie sich ernsthaft hätten wehren können. Hätten sie ihre eigenen Jägerbuchten geöffnet, wäre einer dieser Winzlinge zur Stelle und hätte die viel größeren und Trägeren Jäger schon beim Start zerstört. So blieb ihnen kaum etwas anderes übrig, als auf gut Glück ins Nichts zu schießen und zu hoffen, dass sie schnell genug beschleunigen konnten um dem Schwarm zu entkommen.
Wie irrsinnig diese letzte Hoffnung war zeigte sich nur all zu bald. Die dünner gepanzerten Triebwerke waren ein gefundenes Fressen für die leichten Angreifer. Begeistert spielten sie mir den Flammen und Explosionen, welche aus den getroffenen Triebwerken leckten. Ein Treibstofftank nach dem anderen leerte seinen flüchtigen Inhalt ins Vakuum. Eines nach dem Anderen, verfielen die gewaltigen Triebwerke ins Stottern und glühten aus. Ihre riesigen Ausstoßdüsen und Zuleitungen boten den Jägern einen guten Weg unter die äußere Panzerung.
Obwohl ihr so übel mitgespielt wurde, sah man der Außenhülle kaum Beschädigungen an. Die Kolosse waren derart gewaltig und die zugefügten Schäden so klein, dass sie schier unter gingen. Erst bei näherer Betrachtung fielen einem glühende Punkte und verbrannte Krater auf. Die wenigsten waren größer als die Geschütze, die aus ihnen heraus gebrannt worden waren. Selbst nach stundenlangem Beschuss waren noch immer viele Kanonen an Bord, die tapfer die Stellung in einem bitteren Kampf hielten. Ihre Feuerkraft reichte nicht mehr aus, um eine Sonne zu simulieren. Trotzdem schafften sie es, die ewige Nacht ganz kräftig auf zu hellen.
In einer Serie ungewöhnlich starker Explosionen verabschiedeten sich die Triebwerke. Zuerst die des Flaggschiff, eine Stunde später die der beiden Anderen. Die Explosionen waren stark genug um eine Welle von Angreifern wüst durch die Gegend zu schleudern. Zwei von ihnen zerschellten einfach an der Druckwelle. Die Anderen nutzten die Gunst der Stunde und entleerten die Energiezellen ihrer Waffen in die frischen Wunden. Flüssiges Metall schoss in faustgroßen Tropfen von den Einschlagstellen davon, erstarrte in bizarren, scharfkantigen Strukturen.
Den Angreifern stellte sich nun die Notwendigkeit, sich neu zu organisieren. Eine kleine Gruppe spaltete sich von der Wolke von Jägern ab und zog sich etwas zurück. Sie bildeten eine zweite, die erste komplett umgebende Wolke. Während die erste, innere Wolke sich darauf beschränkte, die verbliebenen vier Fünftel Kanonen zu bekämpfen und zu zerstören, hatte die neue Wolke eine logistische Aufgabe: Sie zerstörten die umher fliegenden Trümmerteile.
Im Laufe des bisherigen Gefechts waren Trümmer im Bereich von wenigen Kilo bis hin zu tausend Tonnen schweren Brocken ab gesprengt worden. Ihre Zahl war so groß geworden, dass immer öfter Jägerpiloten ihre Angriffsschleifen abbrechen mussten, um nicht an einem dieser Brocken zu zerschellen oder sich einen Kratzer zu zu ziehen.
Eben diese Trümmer verdampften nun unter den Energieladungen der Jäger zu Wolken aus Staub und Rauch. Methodisch machten sie sich daran, die Brocken immer weiter zu zerkleinern und zu zerstreuen. Oftmals reichte nur ein leichter Stups und die Teile trudelten hinab in den nahen Gasriesen, oder eben die genaue Gegenrichtung. Zügig verschwanden sie aus dem Kampfgebiet und trudelten ihrem Schicksal entgegen. Einige würden sich vielleicht dem Ring anschließen. An Nachschub wollte es einfach nicht mangeln. Ununterbrochen splitterten Teile ab und trieben davon.
Dann aber löste sich mehr als einfach nur ein Teil der Panzerung. Ein rechteckiges, ungefähr einhundert mal fünfzig Meter messendes Panzerelement löste sich und trudelte ab. Zunächst war es ein Trümmerteil unter unzähligen anderen. Dann aber fiel auf, dass es sich zu gleichmäßig bewegte. Etwas an diesem Teil war anders, abgesehen von seiner beispiellosen Größe. Die Räumtrupps näherten sich, bereit dem Objekt den endgültigen Todesstoß zu verpassen. Sie begannen das Teil zu umkreisen, ihre Waffen aus zu richten und dann zerplatzten die ersten Jäger wie Seifenblasen.
Wie ein aufgeschreckter Schwarm kleiner Fische stoben sie auseinander. Eine reihe weiterer Jäger zerbrach auf der Flucht. Die Unterseite des Panzerelements, mit all seinen herausgerissenen Leitungen und Verbindungsstutzen entpuppte sich als tödliche Falle. In gleichmäßigen Abständen verteilt lagen kleine Geschützkuppeln. Auf dem intakten Schiff wären sie absolut nutzlos gewesen. Jetzt aber schlug ihre Stunde und sie konnten ungehindert los schlagen, wenn auch nur in die eine Richtung.
Die Jäger erkannten die Gefahr und analysierten sie routiniert. Sie konnten das Element immer noch zerstören. Sie mussten es sogar! Eine driftende Geschützbatterie, zudem eine derart effektive, durfte nicht unbeachtet bleiben. Sie müssten dafür allerdings von der gepanzerten Seite aus zuschlagen. Ein Umstand, der die Sache lästig verkomplizierte.
Um die Demontage zu beschleunigen versuchten sich etliche Jäger des Räumtrupp an Angriffen über die Flanken. Es gelang ihnen auch etliche der beweglichen Geschütztürme aus zu schalten. Ihre Verlustquote jedoch war demoralisierend hoch und nach wenigen Versuchen fanden sich keine Freiwilligen mehr für derartige Manöver. Dafür zeigte eine weniger riskante Variante dieser Taktik weit größeren Erfolg.
Zeitgleich mit diesem Erfolg kam aber auch die nächste Ernüchterung. Dieses eine Element war nicht das einzige seiner Art. Überall lösten sich vergleichbare Teile aus der zerstörten Panzerung und begannen wüste Angriffe auf die wendigen Jäger. Lautlose Explosionen bestimmten nun auf beiden Seiten des Schlachtfelds das Bild. Ein regelrechtes Geschwader dieser gepanzerten Geschützplatformen verwickelte die Räumgeschwader in erbitterte Kämpfe.
Den Angreifern ging es derweil wenig besser. Unter den abdriftenden Waffenplatformen wartete eine weitere Überraschung: Noch mehr Kanonen! Und auch hier waren sie wieder sehr viel kleiner als die martialischen Monster auf der Außenhülle. Sie waren ungemein wendiger und die Jäger mussten schnell eine ernst zu nehmende Gefahr in ihnen erkennen. Zum ersten mal sahen sie sich zu einem taktischen Rückzug gezwungen.
Trotz der Verluste waren sie immer noch weit davon entfernt, geschlagen zu werden. Es war allerdings das erste Mal, dass sie gezwungen waren tatsächlich koordiniert zu arbeiten. Das war etwas, was sie nicht gewohnt waren und so verloren sie wertvolle Zeit. Zeit die sie benötigt hätten um Druck aus zu üben und keine Zeit zur Reorganisation zu lassen. Der Pilot fühlte sich wie ein Versager. Der gesamte Schwarm war abgeschlagen auf einen Koronaplatz. Es würde ungemein schwerer werden, das Schlachtfeld von Außen heraus auf zu rollen. Er erinnerte sich an den Geschichtsunterricht in der Ausbildung.
„Der beste Schlachtplan hält bis zum ersten Schuss.“ Dieser Satz wurde einem kleinwüchsigen Feldherren in roter Uniform in den Mund gelegt. Damals, als die Menschen lernten Maschinen zu bauen. Es musste auf der Erde gewesen sein, so genau versuchte er sich gar nicht daran zu erinnern. Seine Sorgen hatten ein anderes Ziel. Er hatte den Angriff mit seiner Initiative begonnen und die ersten Ziele markiert. Die Augen seiner umgebenden Jäger lasteten zweifelsohne auf ihm, soviel Eitelkeit gestand er sich gerade noch zu. Er wollte auf keinen Fall in ihn gesetzte Erwartungen enttäuschen.
Ein kurzer Blick nach Draußen um sicher zu gehen, dass die Flügel mit neuen Raketen bestückt worden waren. Die letzte glitt soeben aus dem kleinen Rumpf und rastete ein. Er war wieder voll einsatzbereit und wie eine Herausforderung trieb ein Teil der immensen Rumpfpanzerung genau auf ihn zu. Noch zeigte sie ihm die massive Außenseite. Zerklüftet und durchzogen von Rissen und Schmauchspuren. Aber sie war dabei sich zu drehen. Dem Piloten kam eine Idee und er wartete bis sich ihm das Element sich als schmaler Streifen von der Seite präsentierte.
Es war beinahe zu perfekt. Er richtete seine Strahler aus und begann Stück für Stück, die Panzerung von der waffenstarrenden Innenseite ab zu lösen. Stumme Dampffontänen schossen aus dem Schnitt als er die Luft gefüllten Kammern der Kanoniere traf. Wieso war nur bisher niemand auf die Idee gekommen? Mit Genugtuung beobachtete der Pilot seinen Erfolg. Die Staffel um ihn herum stob auseinander, auf der Suche nach neuer Beute. Die Leere war erfüllt von brennenden, glühenden und ausgebrannten Trümmern.
Unterdessen nahmen die drei Kolosse alles unter Beschuss was sich bewegte. Zunächst noch vorsichtig, um die eigenen Elemente nicht zu treffen. Als deutlich war, dass auch die driftenden Plattformen nichts ausrichten konnten, ohne Rücksicht auf Verluste. Kilometerlange Streifen auf den Rümpfen verwandelten sich in glühende quellen des Todes. Ununterbrochen deckten sie alles mit einem Teppich aus Sperrfeuer ein. Was sie trafen, explodierte wie Seifenblasen, verwandelte sich in nicht weniger tödliche Schrappnellen.
Erneut spaltete sich eine Gruppe der Jäger ab und bezog eine weit außen liegende Angriffsposition. Aus der Distanz setzten sie ebenfalls ein Sperrfeuer an. Zahllose Raketen rasten auf das noch am intaktesten der drei Schiffe zu. Jede mit einer winzigen Ladung Antimaterie als Sprengkopf. Was eben noch die ersten Geschütze aus den Kolossen gebrochen hatte und sie ihrer äußeren Panzerung beraubt hatte, sollte nun beweisen, dass sie einem Planetenkiller in nichts nach standen.
Wolken aus Staub und Schmutz hüllten die Kolosse ein. Der unkoordinierte Angriff hämmerte auf die Panzerung wie die Brandung an eine felsige Küste. Nur sehr langsam lichtete sich dieser Nebel. Der Pilot vermisste einen erfrischenden Windhauch, welcher den Staub davon getragen hätte. So blieb ihm nichts weiter übrig, als sich blindwütig in die Schlacht zu werfen und auf Glückstreffer zu hoffen.
Die Kolosse kamen ihm in einem Punkt entgegen. Wie Leitstrahlen fächerten sich die Salven der gewaltigen Kanonen auf und erlaubten ziemlich genaue Schätzungen über die Bewegungen innerhalb der Wolken. Jede Salve wurde unmittelbar von einer Flut aus Geschossen in die Gegenrichtung begleitet. Der angerichtete Schaden aber hielt sich spürbar in Grenzen. Lediglich die Schuttwolke wurde dichter.
Der Pilot spürte den Frust. Sie hatten nicht nur einen sondern gleich drei Kolosse ihrer Antriebe beraubt. Die äußere Panzerung war mitsamt der gewaltigsten Geschütze, die er je von Nahem gesehen hatte, zu Staub zerfallen. Krater überzogen die innere Panzerung, regelmäßig durchzogen von Löchern und Rissen, durch die Atmosphäre in den Weltraum entschwand. Sie hatten faktisch gewonnen und doch weigerten sie sich zu sterben. Stur und hochmütig erwiderten sie jeden Schuss und jedes neue Leck in ihrem Rumpf rächten sie mit eigenen Abschüssen.
Es kam immer öfter vor, dass sich Jäger zu neuen Staffeln zusammen schlossen, weil die ursprünglichen schlicht zu stark ausgedünnt worden waren. Brennende und schon ausgebrannte Jäger trieben umher. Manche als ganzes, mit lediglich zertrümmertem Cockpit, andere nur noch zur Hälfte oder gänzlich in Trümmern. All zu deutlich konnte der Pilot die Resignation seiner Kämpfer spüren, als sie sich dieses Bildes bewusst wurden.
Der Krieg kennt keinen Abschied. In den meisten abgeschossenen Jägern ruhte noch immer ein beachtliches Arsenal an Antimaterie-Sprengköpfen. Bei einer stärkeren Erschütterung würden sie zweifellos detonieren und gewaltigen Schaden anrichten. Die Jäger suchten ihre gefallenen Kameraden, fingen die Schiffe ein und brachten sie auf den letzten Kurs. Das Ziel konnte nicht mehr weg laufen aber es hatte immer noch Zähne.
Der Pilot spürte seine Kameraden schwinden. Sie waren drauf und dran eine gewonnene Schlacht zu verlieren. In einem letzten Anlauf koordinierte sich ein Angriff, dessen einzige Rechtfertigung der Wahnsinn war. Der Versuch, etwas so offensichtlich selbstmörderisches zu tun, dass es die Kolosse in ein tödliches Zögern zwingen würde.
Eine Hauptstreitmacht würde frontal von vorne angreifen, direkt auf die größten Geschütze und die stärkste Panzerung zu. Ihr Ziel waren die Kommandozentren, uneinnehmbare Festungen der Schiffsgehirne. Eine Weitere würde direkt von hinten angreifen. Ihr Weg würde sie mitten in die lodernden Feuer der zerstörten Antriebe und Treibstoffbunker führen. Nicht nur der Treibstoff brannte, nein. Das Metall selbst brannte lichterloh und immer wieder lieferten explodierende Tanks weiteren Brennstoff. Der klägliche Rest würde sich zeitgleich mit den beiden Hauptstreitmächten auf die Kanonen der vollen Breitseite schmeißen. Sie wollten so viele wie möglich aus dem Rumpf brennen. Es gab nur einen Versuch, nur diesen einen Anlauf. Entweder es würde funktionieren oder die Schlacht wäre verloren. Aber wenn sie schon verloren sein sollte, dann wenigstens für jeden.
Mit einem kollektiven euphorischen Aufschrei stürzten sie los. Bei all den Verlusten die sie hatten einstecken müssen, die Zahl ihrer Raketen war immer noch unzählbar und verstörend. Wie ein brennender Mantel des Todes verdeckten ihre Schweife die Sicht auf Sterne und Staub. Die Bunker brechenden Ladungen würden ihr Bestes geben, auch wenn das nicht genug war. Hier ging es nicht einfach gegen einen Bunker an. Hier ging es gegen eine Panzerung, bestehend aus unzähligen Bunkern.
Die ersten Jäger hatten ihre maximale Geschwindigkeit erreicht. Sie schossen unhaltbar auf den massiven Frontpanzer der Kolosse zu, dauernd darauf bedacht die Bombenschächte zu leeren. Vor ihnen brannte der Panzer unter den Explosionen ihrer Raketen. Wenn er schon nicht einfach brach, so schmolz er wenigstens. Dagegen war der Feind wehrlos. Erst unmittelbar vor der Panzerung drehten sie ab, schossen den Rumpf entlang, nahmen jede Erhöhung ins Visier und sprengten sie ab. Einige schafften es nicht mehr rechtzeitig, ihren Kurs zu korrigieren. In farbenprächtigen Feuerbällen fraßen sich ihre Schiffe in den massiven Panzer, sprengten große Teile heraus und schafften es hier und da tatsächlich, ihn zu durchdringen.
Die Jäger am anderen Ende dachten nicht ans Abdrehen. Ihr Ziel war ein Anderes, ihre Geschwindigkeit aber auch. Weit langsamer drangen sie in das Inferno am Heck ein. Mit zahllosen Augen suchten sie alles nach Wartungsluken und Schotts ab. Irgend etwas was den Weg in das Innere der Kolosse weisen konnte. Die Raketen blieben in den Schächten. An ihrer statt fraßen sich Strahlenwaffen durch das Innenleben der Kolosse, schnitten es in handliche Einzelteile, die einfach durch die hinteren Öffnungen entsorgt werden konnten. Austretende Luft tat ihr Übriges, die Trümmer aus dem Weg zu schaffen. Die Kolosse bluteten aus.
Den aussichtslosesten Kampf führte die dritte Fraktion. Mit dem Mut der Verzweiflung und der Begeisterung des Wahnsinn warfen sie sich in das feindliche Feuer. In ihnen brannte die offene Wut über den Verlust ihrer Kameraden. Ihren Tod wollten sie rächen, und wenn es sie dabei zerriss. Solange sie nur ihre Kameraden rächten, die aus ihrer Mitte gerissen worden waren. Und das Glück war mit ihnen. Offensichtlich verwirrt von der neuen Situation, richteten sich einige wenige Kanonen nicht schnell genug neu aus. Sekunden später schwirrten hunderte Tonnen schwere Geschütze aus ihrer Position. Die aus dem Krater geschleuderten Bedienmannschaften waren nicht mehr als Staub neben ihnen doch den Jägern lieferten sie bitterste Befriedigung.
Ein Lichtblitz kroch zähflüssig durch den Raum. Als wäre inmitten der Staubwolke eine Sonne aufgegangen, erstrahlten die driftenden Trümmer und Staubteilchen in friedlichem Glanz. Wie in Zeitlupe brach der mittlere Koloss auseinander. Der schwarze Panzer splitterte der Länge nach auf und offenbarte einen Einblick auf das glühende Innere. Sein Zerfall war von dem fast schon erleichterten Seufzen unzähliger Lungen begleitet. Sie würden sich nie wieder mit Luft füllen. Andere bemühten sich krampfhaft die rußige Luft in den Lungen zu behalten. Der Druckabfall ließ das Blut in ihren Adern kochen bis es durch verbranntes Fleisch brach und im Vakuum des Alls gefror. Ihr Todeskampf dauerte keine fünf Sekunden.
Wer weniger Glück hatte, den erwischte das Feuer, welches das Schiff auseinander riss. Tropfen flüssigen Metalls brannten sich durch Schutzkleidung, fraßen sich in Haut und Fleisch. Kochendes Hydrauliköl versengte Haut und Haar. Sich krümmende Leiber rannten ohne Verstand und vor Schmerzen halb bewusstlos umher. Ihr Todeskampf dauerte endlose Minuten, bis sie der erlösende Hüllenbruch und das Vakuum erreichten.
Das Universum hielt den Atem an. Als könne es nicht glauben, was es hier zu Gesicht bekam hielt es inne. Einen winzigen Augenblick lang schien selbst das Licht nicht zu wissen ob es sich weiter bewegen sollte. Nach einem ewig langen Augenblick war die Entscheidung gefallen und es stürmte mit ungeahnter Wucht vorwärts.
Eine ungeahnte Schockwelle riss die Jäger auseinander und von den verbleibenden beiden Wracks. Nicht wenige wurden auf den zerklüfteten Oberflächen zerschmettert wie die Fliegen. Bei alledem erklang abgesehen von der dumpf grummelnden Schockwelle kein einziger Ton. Das größte künstliche Feuerwerk was ein Mensch zu Gesicht bekommen konnte fand in gruseliger Stille statt.
Vom Koloss selbst blieb einiges übrig. Trümmern, groß wie ein kleiner Mond verstreuten sich. Einige wurden von der Schwerkraft des Planeten eingefangen und rissen hässliche Narben in den stolzen Ring.
Andere trudelten in die Flugbahnen der beiden anderen Kolosse. Ihre Zusammenstöße waren verheerender als die Einschläge der feindlichen Antimaterie-Sprengköpfe. Sie drückten den robusten Panzer ein wie Alufolie und zerrissen sie mit ihren scharfen Kanten. Als feiner Nebel aus gefrierendem Wasserdampf wurde austretende Luft sichtbar. Sie verflüchtigte sich beinahe im gleichen Moment wieder, in dem sie sichtbar wurde. Zurück blieb das, was sie mit sich hinaus getragen hatte. Schutt, Schrott, Ausrüstung und Besatzungen.
Das einst so kalte, leere All war erfüllt von Staub, Rauch, Ruß und Trümmern. Es hatte einen staubigen Anstrich bekommen. Die Strahlen der entfernten Sonne kämpften sich hindurch wie durch die schmutzigen Fenster einer vor Jahren aufgegebenen Fabrikhalle. Dem Piloten kam das deprimierend vor. Das Licht gab sich solche Mühe und wurde so sehr aufgehalten und gebremst. Es musste den Eindruck haben gegen eine Wand zu laufen, einen verlorenen Kampf zu kämpfen. Beinahe so wie er selbst.
Plötzlich konnte er das Sonnenlicht gut verstehen. Für einen Moment genoss er seine Wärme auf der Haut. Von seinen Jägern waren nicht mehr viele übrig. Die wenigsten hatten das Gemetzel und das anschließende Feuerwerk überlebt. Noch immer spürte er wie seine Freunde starben, zerrissen und zerquetscht von umher treibenden Trümmern. Die zerfallenden Giganten verwandelten den Orbit in ein Trümmerfeld, in dem es unmöglich war sicher zu navigieren. Für die winzigen Jäger war der Todeskampf mit dem Sieg über ihre Ziele nicht vorbei.
Das große Feuerwerk war verglüht. Hier und da blitzen noch einige Strahler auf. Sie gehörten hauptsächlich zu den Jägern, die sich ihren Weg durch die Trümmer brannten. Teilweise aber auch zu noch immer aktiven Geschützen, die auf den Resten der Panzerung wie auf Eisschollen umher trieben und noch immer nicht aufgeben wollten. Dann und wann schossen sie auch lediglich zur Navigation. Das Risiko bestand, andere Überlebende dabei zu treffen, die sich bislang lieber ruhig verhielten.
Der Pilot beobachtete die Szene von außerhalb. Er malte es sich als schrecklich frustrierend aus, die Schlacht zu überleben, sich in einer winzigen Geschützkammer retten zu können, nur um dann als Treibstoff für andere Überlebende zu enden. Andererseits fielen nach wie vor eigene Kameraden den Trümmergeschossen zum Opfer. Sie saßen alle im selben Boot und kämpften doch jeder für sich. Er rang mit sich, eine Entscheidung zu fällen. Wie wollte er die Schlacht beenden?
Er entschied sich dazu, die Geschichte sich selbst schreiben zu lassen. Seine Kameraden und er hatten mehr geleistet als der Auftrag von ihnen verlangte. Viel mehr! Und sie hatten dementsprechend darunter gelitten. Ein ohnmächtiger Zorn über diese schlampige Vorarbeit brannte in ihm. Er suchte die Überlebenden seiner Flotte zusammen und rief sie zu einem Sammelpunkt. Im Ring des Planeten waren sie nicht länger sicher. Sie mussten raus aus der Deckung, hinaus ins All, wo sie vor den Trümmern halbwegs sicher sein konnten.
Obwohl er mit dem Schlimmsten gerechnet hatte, schockierte ihn die Zahl seiner Überlebenden. Weniger als ein Tausendstel der Flotte fand sich ein. Wenige hundert Jäger antworteten seinem Ruf und meldeten ihre Bereitschaft. Sie gierten auf ein neues Ziel, auf Rache für den Verrat, auf Vergeltung für ihre Freunde.
Irgendwo, Lichtjahre entfernt, saß der Verantwortliche in einem gemütlichen Büro und gab Aufträge heraus. Diese Aufträge entschieden über Leben und Tod von Tausenden. Für die einen nur Nummern und Posten auf Monitoren, für die anderen Freunde, Kinder, Geschwister und Eltern. Für den Auftraggeber zumeist nur wage Ziffern. Aber nun hatte er einen Fehler begangen und wüsste er davon, würde er nicht mehr ruhig schlafen können. So aber bot er den Jägern eine beinahe langweilige Jagd.
Der Längste Tag ist nur ein Augenblick in der Geschichte. Das Blut von Millionen kann eine kurze Randnotiz in den Geschichtsbüchern sein während der Tod eines Einzelnen schon eine kleine Bibliothek füllt. Was hinterlassen wir denen, die nach uns kommen? Welches Ausmaß erreicht das Trümmerfeld? Und wer räumt es hinter uns auf?
Am Ende entscheidet nicht nur die Geschichte, was recht und falsch ist. Die Geschichte wird von den Siegern geschrieben, heißt es. Aber was ist, wenn es keine Sieger gibt oder wenn er nicht schreiben kann? Wer bleibt um die Geschichte zu schreiben? Und wer überlebt die Geschichte um sie zu korrigieren?
Am Ende ist auch sie nur Staub und die Zeit ist der Wind, der sie verwischt und davon trägt.